Reisebericht Karpathen-Tour

Reisebericht Karpathen-Tour 31.08.2008 - 05.09.2008.  Unsere Gruppe traf sich kurz nach 13:00 Uhr am Bahnhof Ivano-Frankivs'k. Es wurden insgesamt 8 Personen: Wanderf¸hrer Slava Shegar, Volkmar aus Deutschland, Oksana und Svetlana aus Kiev, Jelena sowie Lida mit T€chterchen Olga aus Moskau bzw. St. Petersburg und schließlich noch die Studentin Jana aus Donec'k. Nach Kontrolle und Erg‰nzung der Ausr¸stung und Auff¸llen der Mundvorr‰te ging es per Bus in die Karpathen, wo wir ziemlich am sp‰ten Nachmittag in dem D€rfchen Kvasy an der Theiß ankamen.

Sofort kam eine Art Revierf€rster und wollte Eintrittsgeld f¸r das Naturschutzgebiet. Nach lebhafter Diskussion einigte man sich auf 8 Personen und 1 Tag. Wir stiegen dann auf bis zum ersten Nachtlager.

Mit dem Essen war es so: Fr¸h und abends wurde am Lagerfeuer gekocht. Es gab Tee und fr¸h Brei (Kascha) aus Buchweizen oder Haferflocken mit Milchpulver und Rosinen, abends Reis oder Nudeln mit beigemengten Fischkonserven oder Schweineschmalz. Mittags Brot mit fettem Speck, Fischpastete, K‰se, Ketchup, Knoblauchzehen. Als Desert Datteln, Kekse oder ukrainische Pfefferkuchen (Prjaniki).

01.09.2008

In der Fr¸he weckten uns Hornsignale der Hirten und nacheinander zogen viele K¸he und Schafe vorbei. Wanderf¸hrer Slava bekam wie immer schnell das Lagerfeuer in Gang.

Ehe das Fr¸hst¸ck zubereitet und alles verstaut war, wurde es meist 11 Uhr. Dann ging es weiter bergauf, ¸ber die Alm Mentschul mit Holzh¸tten bis auf den Berg Petros (2020m). Unterwegs konnten wir uns an den zahlreichen, herrlichen Heidelbeeren g¸tlich tun. Auf dem Gipfel wehte ein sehr kalter Wind. Es stand ein mit Holzbalken gest¸tztes Jesus-Kreuz aus Metall neben einer Kapelle, die an einer Ecke von Feuer zerst€rt war. Wir stiegen auf einem sehr steilen Zickzackweg bergab. Zum Gl¸ck machte niemand "Kolobok", was man mit "Purzelbaum" ¸bersetzen k€nnte. Leider gab es auch die ersten Blasen an den F¸ßen, Muskelkater usw. In einer Senke am Fuß des Petros schlugen wir das Nachtlager auf.

02.09.2008

Zuerst stiegen wir auf den h€chsten Berg der Ukraine, die Hoverla (2061m). Der Wanderweg ist dort deutlich besser beschildert und man trifft viel mehr Leute, neben Ukrainern vor allem Polen und Slovaken. Slava half einigen abgek‰mpften Frauen beim Tragen des schweren Rucksacks. Oben weht die ukrainische Fahne, ein Betonklotz mit eingelassenen Kapseln mit Erde aus allen Landesteilen steht da und ein Gipfelkreuz aus Metall, welches ein Exilukrainer aus M¸nchen gestiftet hat. Es war schon ein tolles Gef¸hl, auf dem h€chsten Berg der Ukraine zu stehen, auch die anderen Wanderer haben dies empfunden. Seltsamerweise war der Wind oben w‰rmer als etliche Dutzend Meter weiter unten. Man sieht auch die alten Grenzsteine von 1920/23, die auf einer Seite P f¸r Polen, auf der anderen Seite CS f¸r Tschechoslowakei tragen. Nach dem Abstieg von der Hoverla f¸hrte der Weg weiter am Gipfel Breskul vorbei. Unterhalb des Berges Poshyshevs'ka schlugen wir das Nachtlager auf. Abends am Lagerfeuer gab es eine lebhafte Diskussion ¸ber russische Literatur und Filme.

03.09.2008

An diesem Tag legten wir die weitaus l‰ngste Strecke zur¸ck. Vorbei am Berg Danzish landeten wir irrt¸mlicherweise auf dem Gipfel des Turkul (1933m). Der Wanderf¸hrer rannte zu schnell und war außer Sicht, so dass der Rest der Gruppe den Abzweig verfehlte. Das hat einige aus der Gruppe mit Recht ver‰rgert. Mit lautem Rufen fanden wir uns wieder und stiegen hinab zum See Nesamovyte, wo l‰ngere Zeit gerastet wurde. Zwei Pferde, die an unser Mittagsmahl wollten, mussten st‰ndig mit Kn¸ppeln vertrieben werden. Etliche Mutige nahmen ein erfrischendes Bad im See. Schließlich mussten wir wieder aufbrechen, denn es sollte an diesem Tag noch bis an den Fuß des Berges Pip Ivan gehen. So zogen wir stundenlang an den Gipfeln Rebra, Hutyn Tomnatyk, Brebeneskul, Mentschul und zu guter Letzt an der Dzembronja vorbei. Es begann bereits zu dunkeln und die Suche nach dem Nachtlager gestaltete sich zu einer halsbrecherischen, etwas chaotischen Aktion. Mit vielem Schimpfen, aber auch gegenseitiger Hilfe gelangten wir dann an einen sch€nen Platz, wo bereits ein Zelt stand und konnten endlich rasten. Das Abendmahl fiel nicht aus, die Makkaroni schmeckten an diesem Tag besonders gut.

Einzigartig und von bezaubernder Klarheit war in dieser H€he bei dem sch€nen Sp‰tsommerwetter der Sternenhimmel. In den dunstigen und hell erleuchteten St‰dten ist so ein Anblick gar nicht mehr m€glich. Jupiter stand im Sternbild Sch¸tze, die Milchstraße zog sich quer ¸ber die Himmelskuppel, das Sommerdreieck Schwan, Leier, Adler gr¸ßte im Zenit und ab und zu huschte eine Sternschnuppe ¸ber das Firmament.

04.09.2008

Zu sechst stiegen wir auf den Pip Ivan (2028m), zwei Frauen blieben im Lager zur¸ck, weil sie gerne eine Ruhepause wollten. So konnten wir ohne Gep‰ck laufen, was die Sache ungemein erleichterte. Wir blieben recht lange oben, besichtigten die Ruine des Observatoriums, beschauten ringsumher die Berge, im S¸den schließen sich ja bereits die rum‰nischen Karpaten an. Schließlich mussten wir doch wieder zur¸ck zum Lager und nach kurzem Imbiss begann der Abstieg in nord€stlicher Richtung ins Tal. Der Weg war schwierig, manchmal steil und felsig, ‰hnlich wie beim Petros. Romantische Felst¸rmchen und sogar ein kleiner Wasserfall s‰umten unseren Weg. Wir rasteten auf halber H€he auf einer Bergwiese in der N‰he einer Alm. Die Nacht war ungew€hnlich warm und st¸rmisch. Trotzdem hat es keines der Zelte weggeweht.

05.09.2008

Der Morgen bescherte einen wundersch€nen Sonnenaufgang und bald wanderten wir weiter bergab in das Dorf Dzembronja, wo wir wieder mit der Zivilisation in Ber¸hrung kamen. Man konnte sich also am Fluss waschen, im Magazin etwas kaufen und vor allem die Handies aufladen. Der gleichnamige, launische Fluss Dzembronja scheint allj‰hrlich gewaltige Sch‰den anzurichten. Man sah zerst€rte Betonsockel von Br¸cken, angeschwemmte B‰ume und gewaltige Steinablagerungen. Slava trieb einen Kleintransporter auf, der uns ¸ber etwa 12 km an die n‰chste Bushaltestelle brachte. Es begann eine hals- brecherische Wahnsinnsfahrt ¸ber die Schotterpiste mit metertiefen Spurrinnen und Querrinnen, wo oft nur ein Fahrzeug Platz hatte. Wir kamen trotzdem heil und gesund in Il'ci an. Slava fuhr in der Gegenrichtung an die Endhaltestelle und besorgte f¸r alle die Fahrkarten, vor allem wegen der Rucks‰cke. Nach dem Einkauf im Dorfladen kam irgendwann der Bus und die Fahrt ging zur¸ck nach Ivano-Frankivs'k. Beeindruckt von den vielen, tollen Erlebnissen, aber auch ein wenig traurig verabschiedeten wir uns voneinander und jeder trat seine Heimreise an.

Volkmar Scheffel, Deutschland